Donnerstag, 7. August 2014

Permanence

"Permanence" trifft es ziemlich gut. Ich bin eigentlich die meiste Zeit im Foyer und selbst jetzt kann ich mit meinem Bier (welches hier immer noch verbotenerweise lagert) nicht rüber zu den Assistenten im anderen Foyer gehen. Naja, immerhin ist Yves endlich im Bett und ich habe das gemütliche Wohnzimmer für mich alleine. Nebenher schaue ich eine Reise-Doku, wo es gerade um Hai-Angriffe in der "Réunion" geht, übrigens dort, wo Anais herkommt. Jetzt nochmal zu Yves. Er ist wirklich mit Abstand der anstrengendste Bewohner hier in der Arche. Er ist schwerst behindert: Autist, taubstumm und erhebliche motorische Schwierigkeiten, sodass er gepflegt werden muss, Hilfe bei so gut allem benötigt, selbst beim Von-der-Couch-aufstehen. Noch dazu kann er ziemlich aggressiv reagieren, wenn man nicht macht, was er will. Wenn ich will, dass er endlich schlafen geht (meistens nicht vor 22 Uhr), gehe ich zu ihm, er greift automatisch mein Handgelenk und zeigt einem ziemlich forsch wo es hingehen soll. Einmal habe ich den Fernseher ausgemacht, er stand neben mir, anscheinend war dies gar nicht in seinem Sinn, er grabscht mein Handgelenk und drückt es gegen den Fernseher. Ich habe ihn aber nicht mehr angemacht, da wurde er wütend und kam auf mich zu. Den einzigen Vorteil, den man in so einer Situation hat, ist das Reaktionsvermögen. Man kann sich nur schnell ducken und Abstand nehmen. Das Schlimmste ist dann, wenn man ihn in sein Zimmer begleitet und er einen nicht los lässt, während er alle seine Sachen kontrolliert. Man kann ihm eigentlich nur gehorchen und hat immer Angst, dass ihm irgendetwas nicht passt. Na gut, das ist jetzt kein so schönes Thema. Ich bin froh, dass ich nur eine Woche mit ihm zusammenleben muss. Er soll auch nicht in der Arche bleiben, weil seine Behinderung unberechenbar ist und keiner dafür ausgebildet ist.

Heute habe ich in der Fabrik ausgeholfen. In 3,5 Stunden mit einer Bewohnerin an die 4000 Kajalstifte verpackt, d.h. je 3 in ein Plastiktütchen gepackt. Wenn man zügig arbeitet, sind das 6 Tütchen in der Minute. Ziemlich monotone Arbeit, aber es war auch interessant zu sehen, was gerade unsere Leute aus der Bergerie auf der Arbeit machen, wenn sie abends erzählen, dass sie die "Kajalstifte" gemacht haben.
Ich hatte eigentlich schon nach 30 Minuten keine Lust mehr, aber irgendwie war es auch eine schöne Atmosphäre mit den Leuten zusammen produktiv zu sein. Am liebsten hätte ich "Wir steigern das Bruttosozialprodukt" gesungen, dann hätte ich bestimmt auch 7 in der Minute geschafft.




Insgesamt gefällt mir die Permanence ganz gut. Man ist hier wirklich in seiner kleinen Familie in Ambleteuse. Geht im Garten nebenan einkaufen, trifft Brigitte und Jean-Denis, die sich freuen, als hätten sie einen monatelang nicht gesehen. Morgens um die Ecke zum Bäcker gehen und einfach nur "Brot für Oyats" zu bestellen. Die Leute wecken, während sie noch im Bett liegen. Für alle Kaffee kochen und abends von Line oder Aline (die zwei Festangestellten, die zurzeit arbeiten) bekocht und bemuttert zu werden, weil "die Assistenten ja auch mal entlastet werden müssen". 

Das allerbeste natürlich: In der Pause zum Strand joggen, sich in den warmen Sand fallen lassen und zur Abkühlung kurz ins Meer hüpfen. Vorher war ich nie alleine am Strand (weil man dort nur im Urlaub hinkommt) und dann immer mit einer vollgepackten Strandtasche. Jetzt zieh ich mir den Bikini drunter, schnapp mir eine Wasserflasche in die eine Hand, in die andere ein Handtuch und laufe einfach los. 



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