Donnerstag, 6. März 2014

Die Fastenzeit...

Am Besten ich nutze ab jetzt die "Hochphasen", in denen ich ein Buch schreiben könnte, über die Erfahrungen, die ich vor wenigen Minuten gemacht habe und die Emotionen, die damit verbunden in einem hochkommen (hochkommen - Hochphase ;-)

Heute Abend hatten wir Besuch von unserem Direktor der Arche und unserem "Père David", dem schon etwas älteren und schusseligen Gemeindepfarrer aus England. Wir haben Pizza gemacht und hatten am Tisch seit Langem mal wieder das Gespräch über Sprachen. Ich freue mich immer, wenn mich wer nach einem Wort auf deutsch fragt. Nicolas, der Direktor, kann glaube ich sogar relativ gut deutsch. Er kannte z.B. Wörter wie Liebe, danke, schlafen, "nicht herauslehnen" :D Marie-Claire schien auch wirklich interessiert und hat mehrmals "slafe, slafe" wiederholt. Und Brigitte: "Die Liiiiiiep" Valerie und ich haben aber eher darauf gewartet, dass Nicolas und Père David über "Jeudi Saint" (Gründonnerstag) und die Fastenzeit sprechen, so wurde es uns nämlich angekündigt. Als das Thema nicht angesprochen wurde, haben wir vorgeschlagen, nach dem Essen im Wohnzimmer noch ein wenig darüber zu sprechen. Denn was uns wichtig war, war nicht, dass wir den religiösen Vorstellungen der Arche entsprechen wollen, sondern, dass wir das als Anlass nehmen, das Leben im Foyer zu verbessern. Man weiß zwar immer, man kann noch soviel von Solidarität reden wie man will, die Leute bleiben weiterhin egoistisch und launisch. Es ist so traurig zu sehen, wie Brigitte auf der Couch lümmelt und demonstrativ zeigt, wie wenig Bock sie gerade hierauf hat. Oder wie die nervöse Marie-Claire das einzige (!) Prospekt nimmt, was auf dem Tisch liegt und mir wahllos irgendwelche Staubsauger zu zeigen. Was sie natürlich auf die Idee bringt, sich einen neuen zu kaufen. Das traurige ist immer, dass sie alle keineswegs blöd sind oder nicht im Standen, sich über gewisse Dinge Gedanken zu machen. Sie geben sich einfach nur nicht die Mühe das zu tun. Als Père David geredet hat, hätte ich am liebsten alle wachgerüttelt und hätte gesagt: "Jetzt hört gefälligst mal zu! Es geht zwar gerade um Jesus und die Fußwaschung und ich weiß, dass euch das nicht interessiert, aber wenn ihr einfach weiterzuhören würdet, dann merkt, ihr, dass ihr gerade damit gemeint seid. Genau das ist doch das Konzept der Arche, den Service für den anderen und füreinander zu leisten. Mein Dienst hier besteht doch genau aus diesen Wörtern: Service civique!" Ich habe jedes Wort aufgenommen und dabei Blickkontakt mit Valerie gehalten, und ich weiß, dass es ihr nicht anders ging. Als das Thema auf die Fastenzeit kam und dass es in erster Linie ja eine individuelle Sache ist, habe ich selbst schnell das Wort ergriffen und zum ersten Mal vor allen Leuten hier bedacht und laut meine Meinung gesagt. Ich habe dazu das kleine Büchlein genutzt, was wir bekommen haben. Dort steht für jeden Tag ein kleiner Psalm, ein Gebet und was das konkret im Leben heißen kann. Ich habe vorgeschlagen, ab jetzt jeden Tag diesen einen Satz am Tisch vorzulesen, wieder nicht, um die Leute zur Religion zu bekehren, sondern um genau das zu sagen, was man hier verbessern muss. "Versuche einen Tag mal niemanden zu kritisieren" z.B. oder "Überlege dir, ob man freitags auch ein einfacheres Essen machen kann" Genau das habe ich vorgelesen, obwohl ich weiß, dass sie mich dafür hassen, weil sie eben süchtig nach Essen sind. Ich habe gemeint, dass es viele Menschen gibt, die nicht so viel zu essen haben, wie ihr (wie wir) immer und dass man Acht geben soll, was man ist und vorallem es langsam zu essen. Zum einen habe ich an die Gesundheit der Leute gedacht, zum anderen an unser Budget (letzten Monat haben wir zuviel für Lebensmittel ausgegeben) und zu allerletzt (wie immer hier) an mich. Nämlich, dass ich versuche, kein Fleisch zu essen. Fisch reicht völlig und ich sehe ja immer im Supermarkt, welches sündhaft-teure Gammelfleisch wir einkaufen. Nach meiner kleinen Ansprache, habe ich mich wirklich besser gefühlt. Einfach mal grundlegende Dinge vor den Leuten gesagt zu haben. Das sahen dann auch Nicolas und Père David so, die direkt gesagt haben, wie genial sie diese Idee finden und sie haben uns gelobt, wie gut wir hier zusammenleben. Schade, dass sie nicht wissen oder auch nicht wissen können, wie schwer es uns hier fällt. Als ich danach im Büro war und sich Nicolas verabschiedet hat, habe ich nochmal schnell die Gelegenheit genutzt zu erwähnen, warum uns das so wichtig war, dass die beiden mit den Leuten über solche Themen sprechen. Auf die Schnelle konnte ich mich aber nur bedanken und sagen, dass die Leute uns nicht zuhören und solche Sachen nicht verstehen wollen. Er war aber schon am gehen, natürlich er hat ja auch irgendwann Feierabend, nicht wie wir, die oft alleine zurückbleiben und nirgendwohin auf Abstand gehen können. Nachher habe ich aber von Valerie erfahren, dass er noch seine Frau füttern muss, die nach einem Unfall körperlich- und geistig gelähmt ist und sogut wie nichts mehr kann. Ich habe sie schon öfters gesehen und habe mich dann wieder schlecht gefühlt, ihn aufgehalten zu haben. In diesen Momenten kommen so starke Gefühle in einem hoch, man weiß gar nicht mehr, welche Probleme jetzt schwerwiegender sind. Aber man fühlt sich trotzdem stark, dass man noch da ist und versucht irgendwen zum Nachdenken zu bewegen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen