Sonntag, 25. Mai 2014

anderes Foyer, andere Leute, andere Macken

Heute habe ich Gabriel in der "Garenne" ausgeholfen, weil er sonst alleine gewesen wäre. Es ist immer schön für einen Tag in einem anderen Foyer zu arbeiten. Man kennt die Leute, aber eben doch nicht so gut, als wüsste man wie sie zuhause sind. Als ich ankam, habe ich erst nochmal gefrühstückt (pain au chocolat), während Gabriel Gerard geweckt hat. Gerard ist echt interessant. Er ist ca. Ende 50 und spricht nicht oft, er wiederholt nur Fetzen von dem, was man vorher gesagt hat. Dabei fixiert er einen mit seinem Blick und hat seine Hände hinter seinem Rücken verschränkt. Ich habe ihn also morgens zur Messe begleitet. Das ist nicht die Messe, in die wir mittwochs immer gehen, sondern die Sonntagsmesse in der Kirche in Ambleteuse. Man könnte meinen, das ganze Dorf besteht aus der Arche, aber so ist es natürlich nicht, obwohl man in der Kirche den Eindruck haben könnte. Neben mich hat sich eine etwas ältere, elegante Dame gesetzt und mich auch gleich gefragt, wie lange ich schon bei der Arche arbeite. Dann habe ich die gewohnte Konversation geführt, wie lange ich bleibe, über den 1-jährigen service civique geredet, erzählt, was ich nach dem Jahr mache und habe Komplimente für mein Französisch bekommen. Darauf antworte ich meistens nur "och, geht so", weil Fremde ja nicht wissen, dass ich immer nur das Gleiche sage. Sie hat auch noch gefragt, ob der service civique nach dem Abi in Deutschland obligatorisch ist. Das habe ich aber einfach nur verneint, denn den früheren Zivildienst zu erklären, war mir dann doch zu kompliziert. Außerdem kam gerade Patrick mit seinem Begleiter (wahrscheinlich Antoine) herein und hat erstmal geschrien. Alle Leute, die ihn nicht kennen, haben sich natürlich direkt umgedreht und ich habe beobachtet, wie sich Kinder verstört an ihre Mama drücken. Natürlich erschreckt das die Leute, aber sie wissen ja nicht, dass er immer so ist. Ich habe der Frau neben mir zugeflüstert: "Das ist nur Patrick." Und sie daraufhin gefragt, ob der Großteil der Einwohner die Behinderten akzeptiert. Sie hat natürlich gemeint, dass dies der Fall ist, aber man kann ja auch diejenigen verstehen, die sich darüber aufregen. Ich habe mir vorgestellt, wie Hasselbach reagieren würde, wenn so eine Einrichtung errichtet worden würde. 
In so Momenten wird mir auch wieder bewusst, auf wie vielfältige Weise man wahrgenommen wird in der Bewölkerung. Innerhalb der Arche, im Foyer, ganz klar. In der Kirche waren wir eine große Gruppe und da weiß auch jeder, woher die jungen Leute da kommen und was sie machen. Viele sehen einen dann bewundernd an, wenn man mit seinem "Schützling" zur Kommunion wackelt oder die gesamte Reihe nach einem Taschentuch für besagten Monsieur fragt. Aber wenn man dann mit einer kleineren Gruppe oder einem Bewohner alleine irgendwo ist, wird man seltsam angeguckt. Vorallem, weil unsere Leute eher Verwirrung auslösen, als dass die Leute sofort die Behinderung merken und sofort diesen "Mitleids-Blick" bekommen. Wie letztens im Supermarkt, wo Stéphanie einkaufen war, während ich mit Stéphane Fotos im Photomaton gemacht habe, die wir für unser Wochenende brauchen. Ich hatte total meinen Spaß, Stéphane vor der Linse richtig zu platzieren, ihm Anweisungen zu geben, wie er gucken soll und auf den "Auslöser"-Knopf zu drücken. Die Leute, die uns dabei sehen, können denken "Was für ein seltsames Pärchen. Sie Ausländerin und kommandiert ihn herum und er, ja irgendwas hat der doch, er spricht ungewöhnlich schnell und verwirrend" Noch verwirrender wurde es dann bestimmt, als Stéphanie wieder zu uns gestoßen ist und erstmal erzählt hat, dass der Fisch so teuer ist und sie die Eier nicht gefunden hat... 
Nochmal zurück zu Gerard, der Wortfetzen wiederholt. Wir kommen also aus der Messe, seine Nase läuft immer noch, ich: "Benutze nochmal dein Taschentuch, ich habe leider keine mehr." "Keine Taschentücher mehr, keine Taschentücher" "Ja ich weiß, SO eine große Tasche, aber keine Taschentücher." "Große Tasche. Große Tasche" Das ist schon witzig, vorallem weil man im französischen zu "Tasche" "Sac" sagt, klar denk ich dann immer automatisch an "Müllsack", vorallem wenn da auch noch die Vorsilbe "groß" dazukommt. 

Danach habe ich eine Bewohnerin beim Baden begleitet, heißt, Haare einschäumen, Rücken abschrubben und abspülen. Sie ist aber total nett und kann auch alles alleine machen, aber in der Hinsicht sind sie wirklich verwöhnt. Danach bekam sie die Haare trocken geföhnt, gebürstet, geglättet und zum Schluss kam auch noch Haarspray zum Einsatz. Da musste ich an unsere Marie-Claire denken, die gestern vom Friseur wiederkam. Letztes Mal sah es ganz gut aus, aber gestern sah´s mal wieder schlimm aus... Vielleicht sollte ich da auch mal beim stylen helfen ;-)

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