Dienstag, 29. Juli 2014

Ein erneuter Abschied

Heute war ich das letzte Mal im Sentier, dort wo ich jeden Dienstagnachmittag mal hier mal dort ausgeholfen habe. Am häufigsten war ich allerdings im Atelier. Dort fühle ich mich richtig wohl und es ist wie ein Verein, dem ich beigetreten bin. Nennen wir es die Hobby-Künstler. Mittlerweile fallen einem die Behinderungen gar nicht mehr so auf, oder sagen wir eher, sie gehören einfach dazu. Da wird in Zeitlupe eine 70x50 Leinwand angemalt (Lucile), dort mit der "falschen" Seite des Pinsels auf's Blatt gehauen. Warum auch nicht? Louis ist dafür Spezialist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich mit einem Praktikant einen Tapeten-Streifen grundieren sollte, der später mit Fotos beklebt, zu einem "Arche-Zeitstrahl" werden sollte.

Zur Erinnerung:

Als wir Louis die Rolle zum anstreichen gaben, hat er erst "normal" die Tapete angemalt und dann die Rolle angeschaut, sie ein Stück gedreht, und mit der Querseite auf die Tapete eingehämmert und dann gestrichen. Sehr merkwürdige Technik, aber weil die Rolle praktisch vor triefte, ging es auch so irgendwie. Der Praktikant und ich haben nur bewundernd zugeschaut (ohne ironisch zu sein), sondern waren tatsächlich von dieser Kreaktivität beeindruckt und haben ihm mit "Bravo, Louis!" "Super machst du das!" gut zugeredet. 

Mittlerweile weiß ich aber auch, dass er das auch gerne mit Absicht macht, um mich zu ärgern. Z.B. wenn die kleine Tisch-Staffelei nicht gut steht und es beim draufschlagen schön Krach macht. Dann halte ich es mit der einen Hand fest, er hört auf, schaut mich an. Dann lass ich meine Hand wieder los und er haut blitzschnell wieder zu und lacht sein witziges "Höähäö". Das gleiche spiel wenn ich sage: "Nicht immer auf die gleiche Stelle, das Papier geht kaputt.", macht er amüsiert weiter. 
Es ist bei seiner Behinderung natürlich auch schwer, etwas wirklich schönes herzustellen, bzw. eine Malerei, die anderen auch gefällt. Man stellt ihm einfach Farbtöpfe hin und er kleckst alle paar Minuten mal ein bisschen Farbe auf's Papier, das übrigens gutes, dickes Künsterpapier ist. Da verspürt man natürlich als Hobby-Künstler das Verlangen auch mal etwas mitzupinseln, dort eine Lücke zu füllen oder diesen hässlichen großen Fleck, wo viel zu viel Farbe drauf geraten ist, verschwinden zu lassen.
Wir haben, wie ich finde, einen guten Deal ausgehandelt. Ich stelle ihm 2/3 ausgewählt (und zusammenpassende oder kontrastierende Farben) zusammen, er tobt sich aus und anschließend sorge ich mit einer geschickten Anordnung auf einem größeren Blatt Papier für Harmonie, bzw. Spannung im Bildaufbau. Eine Herausforderung für jeden Kunst-LKler.


Jetzt zurück zu der eigentlichen Geschichte. Ich habe heute früh also Kuchen gebacken, danach Stephane zu einem Arztbesuch begleitet, ihn zur Arbeit nach Ambleteuse gefahren, im Garten eingekauft, in der Bergerie zu Mittag gegessen, wieder zurück nach Ambleteuse gefahren. Eigentlich einen ganz normalen Dienstag-Nachmittag dort verbracht, bis auf dass ich mir am Ende mehr Zeit beim Aufräumen und Auf-den-Weg-machen gelassen habe. Sonst stürme ich immer schon 10 Minuten vor dem eigentlichen Feierabend (17h) aus dem Sentier, damit der Bus, der um diese Zeit nämlich schon auf den Parkplatz fährt, um die Leute einzusammeln, mich nicht zuparkt. Ich wollte gar keine große Verabschiedung. Gerade weil im Sentier so viele Leute ein- und ausgehen und die Aktivitäten ohne großes Tamtam betrieben werden. Allerdings, irgendetwas musste ja kommen. Valerie, z.B., habe ich im Sentier eine Leinwand gemalt, wo die Leute drauf unterschreiben, oder sagen wir, einen Kringel oder einen Strich durch ihre Handführung malen konnten. So etwas gab es natürlich nicht, da keiner da ist, der in so Fällen wirklich die Initiative ergreifen würde und außerdem war es auch meine Idee für Valerie. Aber die Leute haben etwas viel simpleres getan. Als ich aus dem Atelier kam, standen alle rechts und links im Flur, der zum Ausgang führt, und haben geklatscht als ich näher kam, sozusagen Spalier gestanden. Am Ende wurde mir ein kleines, in Stoff eingewickeltes Geschenk überreicht. Dieses bestand aus den bekannten Papp-Blümchen mit Topf und einem Mobile, das ich eine Stunde zuvor noch bestaunt habe. Schon halb mit dem Gedanken, es zu kaufen oder zu fragen, ob ich es mitnehmen darf, weil es farblich gut in mein Zimmer passt. Ich habe mich bei allen bedankt und Stéphane (ein anderer Stéphane aus Ambleteuse) meinte mehrmals zu mir: "Es ist schade, dass du nicht wieder zurückkommst!" Beim rausgehen saß René auf einem Gartenstuhl, wie immer eine Kippe in der Hand und hat sich für den Kuchen bedankt! Auch etwas, mit dem man bei ihm überhaupt nicht rechnet. Die ganze Rückfahrt musste ich vor mich hinlächeln. Ich war nicht traurig, sondern einfach nur glücklich, so lieb verabschiedet worden zu sein, auch ein bisschen stolz, dass ich es doch fast jeden Dienstag dorthin geschafft habe, obwohl ich in der Zeit Pause gehabt hätte. 

Elisabeth hat mich heute auch nochmal kurz aufgesucht, um sich zu verabschieden. Damit kommen wir auch dem Wochenende näher und damit dem Abschied von meinen Leuten aus der Bergerie. Man könnte denke, das alles ziehe sich zäh dahin, aber für mich ist dieser Abschied über 2-3 Wochen, wie ein Abschied an einem Tag, wenn man den Zeitraum von einem Jahr im Verhältnis sieht. Meine Güte, wirklich ein ganzes Jahr! Wie unglaublich lange sich das anhört und wie lange dieser Abschied schon feststeht. 

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