Dienstag, 8. Oktober 2013

Heute war das Wetter wieder fantastisch! Ich saß im dicken Pulli (heute Morgen sah es noch sehr nach Regen aus) und mit meinem Buch vor Gilles Büro in der Sonne und habe gewartet, bis er Zeit für unser Gespräch hat. Einmal kamen 2 Frauen an mir vorbei, davon eine Bewohnerin und ich konnte nicht aufhören, sie zu beobachten. Ich kenne sie von Sehen und sie hat immer bunte Sachen an, lächelt ununterbrochen, wirkt dabei aber total verunsichert. Sie hakt sich immer bei ihrer Begleiterin unter und weicht kaum von ihrer Seite. Als sie heute kurz alleine warten musste, stand sie erst orientierungslos herum. Sie schielt und es scheint, als ob sie sich nervös in der Gegend umschaut. Dann hat sie sich auf einen Stuhl gesetzt und wie ein Kind ihre Fersen zusammengeschlagen und ab und zu unsicher gelacht. Mich wüsste gerne, wie sie die Welt wahrnimmt und was sie denkt, wenn ein fremdes Mädel sie fasziniert anstarrt. Das passiert mir auch oft in der Messe. Ich stehe da und schaue mir einzelne Personen länger an (natürlich starre ich nicht aufdringlich) und stelle mir vor, wie es wäre, in diesem Moment in ihrer Haut zu stecken. Den Pfarrer zu hören und zu verstehen was er sagt, aber das Gesagte doch nicht ganz begreifen können. Wahrscheinlich ist es wie ein Rätsel, dass man ständig versucht zu lösen, vielleicht kommt daher diese Rastlosigkeit.

Wenn ich mir unsere Bewohner im Vergleich angucke, freue ich mich immer über ihre Selbstständigkeit und bin erstaunt was sie alles können. Heute hat Brigitte (ich nenne sie ab jetzt beim Namen, die Zahlen habe ich mir eh nie gemerkt) von einem anderen Haus, in dem sie essen sollte, angerufen. Ich bin ans Telefon und habe mit ihr mein erstes richtiges Telefonat geführt. Leider war es eine Diskussion darüber, dass sie dort bleiben und essen soll und ich sie erst später abhole. Valerie und Guilia standen dabei vor mir und haben mir über Gesten Mut gemacht, nicht aufzugeben. Sie hat mit ihrer knottrigen Stimme andauernd gesagt, dass sie nicht bei der Garenne essen möchte, sondern bei der Bergerie. Ich soll sie abholen. Jetzt. Nein, nein, ich esse da nicht! ... So ging das hin und her und ich habe ihr erklärt, dass ich mit Amanda die Küche mache und sie erst nach dem Essen abholen kann. Sie hat sich natürlich nicht überzeugen lassen, also habe ich eine Assistentin ans Telefon bestellt (ich habe gehofft, es wäre Gabriel, ein neuer Deutscher) und habe ihr erklärt, dass ich Brigitte später abholen werde. Ich habe auch nochmal nachgefragt, ob das in Ordnung wäre und sie auch genug zu essen hätten. Als ich aufgelegt hatte, war ich so happy, dass ich das ganze alleine geschafft hatte. Allerdings (wie es so oft hier der Fall ist) musste ich sie letztenendes doch vor dem Essen abholen, da sie ihre Medikamente nicht dabei hatte. Als ich sie dann mit hängendem Kopf in der Küche bei der Garenne sitzen gesehen hab, tat sie mir so Leid, dass ich mich entschuldigt habe. Sie hat gemeint, dass es nicht schlimm wär. Ich hatte echt schon damit gerechnet, dass sie sauer ist und mich komplett ignoriert, wie immer, wenn ihr etwas nicht passt. Als wir zurückgefahren sind, lag meine Hand auf dem Schaltknauf und dann hat sie ihre Hand kurz auf meine gelegt und mit ihrer rauen und sonst so unverständlichen Stimme "Es tut mir Leid" gesagt. Das hat mich sehr berührt, vorallem weil sie mich sonst oft nervt, wenn sie durch den Flur schlurft und schlecht gelaunt ist. Dank ihr habe ich auch den ersten wunderschönen Sonnenuntergang hier gesehen. Ich bin extra langsam gefahren, um den Anblick der tiefstehenden Sonne und den lila Wolkenbändern möglichst lange zu genießen. 

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